GerDiA – Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz

Der aktuelle Skandal um die katholischen Krankenhäusern in Köln und der letztjährige Skandal um eine Kindergartenleiterin in Königswinter haben der Öffentlichkeit deutlich vor Augen geführt, dass einiges im Argen liegt in kirchlichen Einrichtungen in Deutschland. Obwohl mit etwa 1,3 Mio. Arbeitnehmern der größte Beschäftigungsbereich (nach dem Öffentlichen Dienst) werden den Beschäftigten in kirchlichen Betrieben allgemein übliche Arbeitnehmerrechte verweigert und Grundrechte, darunter sogar das Grundrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit vorenthalten.

Die Putzfrau und der Pförtner, die Erzieherin und der Altenpfleger in kirchlichen Einrichtungen müssen ebenso wie die Verwaltungsangestellte, der Buchhalter und der Orgelspieler, die Psychologin oder der Chirurg der „richtigen“ Religionsgemeinschaft angehören, alle Arbeitnehmer in diesen Einrichtungen müs- sen aber auch um ihren Arbeitsplatz fürchten, wenn sie sich scheiden lassen und mit einem neuen Partner zusammenleben, wenn sie uneheliche Kinder bekommen oder wenn sie homosexuell sind oder wenn sie Pfarrerin sind und einen Muslim heiraten oder ….

Gewerkschaftsrechte, das Streikrecht zur Durchsetzung angemessener Löhne und Arbeitsbedingungen werden den Arbeitnehmern vorenthalten. Oder sie werden, wie Ärzte in der Notfallversorgung in kirchlichen Krankenhäusern dazu angehalten, nicht allein nach medizinischen und psychologischen Erkenntnissen, sondern nach den ideologischen nicht an der Nächstenliebe orientierten Vorgaben des Klerus zu entscheiden – wie jüngst in Köln geschehen gegenüber einen vergewaltigten Frau. Oder sie müssen sich, wie im letzten Jahr in Königswinter geschehen, für ihre Leistung im Sinne der oft beschworenen christlichen Nächstenliebe (die Entwicklung und Führung eines Kindergartens zur allseitigen Zufriedenheit) nach Ehescheidung und Eingehung einer neuen Partnerschaft von einem Dorfpfarrer als „schädliches Ärgernis“ diffamieren lassen. „Schädliches Ärgernis“ ist in Wirklichkeit, dass immer noch Ideologen das Sagen und die Möglichkeit haben, Menschen in ihrem Lebensalltag zu malträtieren.

Dabei werden – entgegen immer noch landläufiger Auffassung – Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft, in denen die beschriebenen Verhältnisse herrschen, nicht einmal von der jeweiligen Religionsgemeinschaft finanziert, sondern von der Gesamtheit der Steuerzahler und, was Krankenhäuser angeht, auch von der Solidargemeinschaft der Versicherten.

Ein (wenig rühmliches) Kapitel Deutschland im 21. Jahrhundert – aber Gegenwehr ist nicht nur notwendig – sie hat begonnen und wird immer stärker.

Im Jahr 2012 ist die Kampagne gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz (GerDiA) gestartet worden und hat bundesweit bereits erhebliche Aufklärungsarbeit geleistet.

Auf ihrer Website http://www.gerdia.de/node/home berichtet GerDiA über Daten und Fakten der Diskriminierung in kirchlichen Einrichtungen, nennt schonungslos die Dinge beim Namen, deckt skandalöse Verhaltensweisen im kirchlichen Arbeitsbereich und deren Hintergründe auf, stellt die Rechtslage mit ihren Einschränkungen zugunsten kirchlicher Arbeitgeber auf. Das Studium dieser WebSite ist ein Muss für jeden, der gegen religiöse Diskriminierung im Arbeitsleben angehen will. Die FAQ handeln die wesentlichen Grundfragen übersichtlich und präzise ab.

Ebenfalls in 2012 hat die Politologin Corinna Gekeler eine Studie zum kirchlichen Arbeitsrecht mit dem Titel „Loyal Dienen“ erstellt.
Zur Studie schreibt GerDiA:

„Die zahlreichen Berichte, der direkt von Diskriminierung in den kirchlichen Einrichtungen Betroffenen, belegen, wie die Sonderrechte Bewerbungsprozesse, Arbeitsalltag und Privatleben prägen. Betroffen sind alle Ebenen und Berufsgruppen, von Leitungskräften bis zu Praktikant_innen. Die Ausgrenzungen und Vorgaben treffen bei den Arbeitnehmer_innen auf keinerlei Verständnis; für Ärzt_innen, Pfleger_innen oder IT-Fachleute ist nicht nachvollziehbar, warum sie bei vorhandener fachlicher Qualifikation eine Arbeitsstelle aufgrund z.B. fehlender Kirchenzugehörigkeit nicht bekommen bzw. ihren Arbeitsplatz verlieren, wenn sie bestimmte Grundrechte in Anspruch nehmen.

Die Studie „Loyal Dienen“ stellt zunächst 35 exklusive und weitere aus den Medien bekannte Fälle vor. Im zweiten Teil gibt sie einen Überblick über die Rechtssituation und zeigt Perspektiven auf, wo Veränderungspotential in Gesetzgebung und Rechtsprechung vorhanden ist. Diese werden mit Blick auf die Veränderungen, denen unsere Gesellschaft und der Bereich sozialer Arbeit unterworfen sind, vertiefend erörtert. Daraus ergeben sich dann auch Forderungen an die Politik.“

Bei http://www.gerdia.de/node/134 findet sich ein Download für die Kurzfassung der Studie „Loyal dienen.“ und ein Anforderungsformular für deren achtzigseitige Langfassung.

Möge der Erkenntnisgewinn aus der Studie und der WebSite Ansporn sein, an der Veränderung der skandalösen und ideologisch geprägten Verhältnisse in kirchlichen Einrichtungen mitzuwirken.

11.02.2013 W.O.

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