Auf ihrer Frühjahrstagung in Waldsassen am 30. und 31. Januar 2013 haben die katholischen Bischöfe Bayerns beschlossen, auf die sogenannten Konkordatslehrstühle in Bayern zu verzichten. Der Beschluss lautet: „Bei ihren Beratungen hat sich die Freisinger Bischofskonferenz mit der Frage des Rechts zur Mitwirkung an der Besetzung der außerhalb der Katholisch-Theologischen Fakultäten bestehenden Konkordatslehrstühle auseinandergesetzt und beschlossen, auf die Ausübung dieses Rechts aus dem
Bayerischen Konkordat verzichten zu wollen. Diesbezüglich wird das
Katholische Büro Bayern beauftragt, die erforderlichen Kontakte zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern herzustellen.“
http://www.erzbistum-muenchen.de/page007538.aspx?newsid=24772
Bezogen ist dieser Verzicht auf 21 Konkordatslehrstühle an mehreren Universitäten in Bayern. Die Konkordatslehrstühle außerhalb theologischer Fakultäten betreffen die Fächer Philosophie, Pädagogik und Gesellschaftswissenschaften. Dem jeweiligen katholischen Ortsbischof steht aufgrund der gegenwärtigen Rechtslage bei der Berufung von Hochschullehrern
auf diese Lehrstühle ein Vetorecht zu. „Diese Regelung hängt in Bayern mit der Auflösung der Konfessionsschulen 1968 zusammen. Damals übernahm der Staat die kirchliche Lehrerausbildung in seine Universitäten und räumte den Bischöfen im Gegenzug ein Mitspracherecht bei der Besetzung bestimmter Lehrstühle ein, an denen katholische Lehrer ausgebildet werden.“ schreibt die katholische Nachrichtenagentur KNA am 01.02.2013, die den Vorsitzenden der bayerischen (Freisinger) Bischofskonferenz, den Münchner Kardinal Reinhard Marx, dahingehend zitiert, dass die katholischen Bischöfe die Materie «sachlich und nüchtern» behandelt hätten. Die «geschichtlichen Rahmenbedingungen» seien heute eben anders, so soll Marx sich geäußert haben.
Unberührt von dem jetzt erklärten Verzicht bleiben die Theologischen Fakultäten mit ihrem Bestimmungsrecht der Kirchen über die Lehrinhalte und die Hochschullehrer, für die katholische Kirche gemäß dem Reichskonkordat vom 20. Juli 1933.
Für den jetzigen Schritt der katholischen Bischöfe wird offiziell keine Begründung genannt. „Möglicherweise hängt der Beschluss damit zusammen, dass sich das Bundesverfassungsgericht demnächst mit der Sache befassen muss. In Karlsruhe liegen inzwischen zwei Klagen gegen die Konkordatslehrstühle vor.“, schreibt der Berliner Tagesspiegel am 04.02.2013. Nicht auszuschließen ist aber auch, dass zur Beruhigung der gegen die katholische Kirche gerichteten zunehmenden Stimmung in der bundesdeutschen Bevölkerung, weniger wichtige Bastionen geräumt werden, um die Angriffsmöglichkeiten zu
minimieren.
Juristische Auseinandersetzungen um die bayerischen Konkordatslehrstühle gab es bereits mehrere in den letzten Jahren. So hatte etwa die Philosophin Dr. Ulla Wessels (Schwerpunkte Ethik und praktische Vernunft) keine Chance, auf einen Konkordatslehrstuhl für praktische Philosophie an der Universität
Erlangen zu gelangen – ihre wissenschaftliche Qualifikation war zwar grundsätzlich unbestritten, doch sie verfügte über gleich zwei wesentliche „qualifikatorische“ Nachteile: zum einen war sie konfessionslos und zum anderen hatte sie über das Thema „Verbietet das Recht auf Leben Abtreibung“ promoviert, wobei sie zu dem nichtkirchenkonformen Ergebnis kam, dass Abtreibung zumindest in den ersten zwanzig Wochen nach der Zeugung ethisch zulässig sei. Frau Dr. Wessels wurde bei ihrem rechtlichen Vorgehen gegen ihre Diskriminierung von verschiedenen laizistischen Organisationen
unterstützt. Sie nahm dann später allerdings einen Ruf an eine andere Universität an.
Die bayerische Regelung hinsichtlich der Konkordatslehrstühle ist
verfassungswidrig und verstößt insbesondere gegen Art. 33 des
Grundgesetzes, in dem es heißt: „Der Genuss bürgerlicher und
staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.“
Außerdem liegt ein Verstoß gegen die Rechtsweggarantie des Art. 19 GG vor, da gegen das Veto des Ortsbischofs vor keinem staatlichen Gericht geklagt werden kann.
Noch 1980 wies das höchste bayerische Gericht eine Klage gegen die
Konkordatslehrstühle ab, wie die Süddeutsche Zeitung am 16.04.2012 gemeldet hat. Begründung des Gerichts: die bayerische Verfassung sei durchdrungen vom Geist der engen Verbindung von Kirche und Staat. Dagegen hätten die Individualrechte im Einzelfall zurückzustehen. 2013 jedoch ist nicht 1980 und die religionspolitische Landschaft in Deutschland hat sich in diesem
Zeitraum erheblich verändert.
Die bayerischen Grünen haben den Beschluss der Bischofskonferenz begrüßt.
Die hochschul- und religionspolitische Sprecherin der Grünen im Bayerischen Landtag, Ulrike Gote, hat sich wie folgt geäußert: „Im Landtag wurden meine Initiativen zur Abschaffung dieses Relikts aus vorsäkularer Zeit stets geblockt – und das leider auch von der FDP als vermeintlich liberaler Kraft.
Die Staatsregierung muss das Gesprächsangebot der Kirchen jetzt zügig annehmen und die Trennung von Staat und Kirche auch hier vorantreiben.“
Es ist an der Zeit, sämtlichen derartigen Relikten aus „vorsäkularer Zeit“ ihren Platz im Museum zu verschaffen.
04.02.2013 W.O.
Foto:wikipedia
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