Die antiaufklärerische Dimension linker Identitätspolitik – Eine Kritik

Wir veröffentlichen im folgenden einen Artikel von Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber zu linker (und damit erfasst auch grüner) Identitätspolitik, in dem in 10 Kritikpunkten deren antiaufklärerische Dimension analysiert wird.

Der Autor ist Politikwissenschaftler. Der Artikel wurde 2021 erstveröffentlicht auf den Seiten des Hans-Albert-Instituts. Wir danken dem Autor und dem Institut für die Genehmigung zur Veröffentlichung des Artikels.

Die antiaufklärerische Dimension linker Identitätspolitik

Immer wieder ist von einer “Identitätslinken” die Rede. Doch was ist damit genau hinsichtlich bestimmter Auffassungen gemeint und welche Positionen werden dort vertreten? Und wie steht es um deren Einstellung zu individualistischen und universalistischen Prinzipien? Antworten auf diese Fragen formuliert der Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traughber in zehn Thesen.

Die Identitätslinke engagiert sich für Minderheiten und deren Rechte. Dies ist für sich eigentlich ein ehrenwertes Anliegen, sofern damit nicht auch problematische Implikationen einhergingen. Insbesondere die antiaufklärerische Dimension und ein neuer Menschenrechtsrelativismus verdienen Widerspruch. Daher soll hier in ideologiekritischer Absicht ein Blick auf konstitutive Grundpositionen einer Identitätslinken geworfen werden. Um aber keine Fehldeutungen aufkommen zu lassen, sei bereits am Beginn der Erörterung klargestellt: Es geht nicht um die Delegitimierung eines Engagements für Minderheiten, sondern um die Kritik von damit einhergehenden Positionen. Die Bejahung von allgemeinen Menschenrechten gilt hierbei als konstitutive Norm. Wenn diese aber angesichts von Gegebenheiten in der Mehrheitskultur eingefordert und angesichts von Gegebenheiten in einer Minderheitskultur ignoriert werden, dann ist nicht nur von beschränkter Glaubwürdigkeit, sondern von grundlegender Widersprüchlichkeit auszugehen.

Bevor diese Ausgangsposition eine nähere Begründung erfahren soll, ist eine Definition von „Identitätslinke“ notwendig. Denn es handelt sich um eine Bezeichnung, die nicht auf einen konkreten politischen Akteur gemünzt ist. Eine feste Gruppierung mit einschlägiger Programmatik existiert nicht. Die Bezeichnung steht insofern mehr für ein Konstrukt, das abstrakt von einer Soziallinken abgegrenzt werden kann. Eine Gemeinsamkeit als Linke müsste eigentlich darin bestehen, dass dem Egalitätsstreben ein grundlegender Stellenwert zugeschrieben wird. Indessen stellt sich die berechtigte Frage, ob Gleichheit für die gemeinte Identitätslinke überhaupt zum konstitutiven Selbstverständnis gehört. Dies ist bei der hier als Kontrast gesehenen Soziallinken sehr wohl so, möchte sie doch für die ganze Gesellschaft mehr soziale Gleichheit umgesetzt sehen. Demgegenüber richtet sich der Blick der gemeinten Identitätslinken auf bestimmte Minderheiten, sollen sie doch eine höhere Anerkennung in einer als diskriminierend geltenden Mehrheitsgesellschaft erfahren.

Mit Berechtigung wird gegenüber dieser Differenzierung eingewandt, dass es keinen Gegensatz zwischen den Positionen geben müsse. Dieser Auffassung lässt sich auch grundlegend zustimmen, denn die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit und nach mehr Minderheitenrechten stehen in keinem Widerspruch zueinander. Es kann sogar die Auffassung von einem Einklang postuliert werden, befördert doch die eine Forderung mitunter die andere Forderung. In der Linken verhält es sich aber in der Praxis anders. Dies veranschaulicht sowohl der Bezug auf die jeweilige Gruppe wie die konkrete Orientierung an Politikfeldern. In dem einen Fall ist es die soziale Frage und die Mehrheitsgesellschaft, in dem anderen Fall ist es die Identität von bestimmten Minderheiten. Die damit einhergehende Differenzierung im jeweiligen Engagement lässt auch eine auf die Identitätslinke und Soziallinke bezogene Unterscheidung als sinnvoll erscheinen. Gleichwohl handelt es sich in beiden Fällen um Konstrukte, womit Idealvorstellungen zur Unterscheidung dienen.

Fortan soll es nur noch um die Identitätslinke gehen, wobei zunächst deren Positionen referiert werden. Hierbei besteht das bereits erwähnte Problem: Da keine feste Organisation mit entwickelter Programmatik existiert, können verallgemeinerbare Aussagen zu deren inhaltlichen Positionen nicht so einfach gemacht werden. Ein Aspekt dürfte aber schon durch die bisherigen Ausführungen klar sein. Es geht nicht um das bloße Engagement für Minderheiten und deren Rechte. Darüber hinaus gibt es besondere Alleinstellungsmerkmale einer Identitätslinken, die insbesondere auf diverse Kollektivbildungen im eigenen Selbstverständnis verweisen. Hierbei kommt individuellem Agieren nur eine geringe Bedeutung zu, entscheidend ist demgegenüber die Gruppenzugehörigkeit mit den jeweiligen Normen. Zugespitzt bedeutet dies, dass eine angeblich dominante Mehrheitskultur objektiv diskriminiert, während demgegenüber eine davon betroffene Minderheitenkultur um ihrer selbst willen verteidigt werden soll.

Die damit angesprochenen Besonderheiten der Identitätslinken ergeben sich aus der folgenden Kritik: Es würde eine strukturelle Benachteiligung von Minderheitenangehörigen geben, wobei konkrete Handlungen von Individuen aus der Mehrheitsgesellschaft gar nicht vorgenommen werden müssen. So bestehe eine Benachteiligung von Schwarzen, die sich durch die Dominanz von Weißen bedingt sei. Dazu fehle es indessen an Aufmerksamkeit, würden doch solche Diskriminierungsformen verdrängt. Das Bewusstsein von einer „kritischen Weißheit“ sei notwendig. Es käme auch zu „kulturellen Aneignungen“, wobei Angehörige der Mehrheitskultur aus der Minderheitskultur bestimmte Spezifika übernehmen würden. So könnten Dreadlocks als Frisur bei Weißen als „rassistisch“ gelten. Und dann dürften Identitätsmerkmale aus einer Minderheitenkultur nicht hinterfragt werden, würde dabei doch ein diskriminierender, weil überlegener Standpunkt eingenommen. Auch Einwände gegen das Kopftuch bei Musliminnen gelten dann als verwerflich.

Gegen derartige Auffassungen und deren Konsequenzen sollen nun Positionen formuliert werden, wobei die Ideologiekritik als Methode und die Menschenrechte als Wertefundament dienen. Den kritisierten Bekundungen können humanistische Prägungen zugrunde liegen, finden sich doch meist noble Absichten bei dem eingeforderten Minderheitenschutz. Auch macht man mitunter auf Diskriminierungsformen aufmerksam, welche im öffentlichen Bewusstsein noch nicht breiter wahrgenommen werden. Die folgenden Einwände gelten nicht diesen Grundpositionen, sie machen aber kritisch auf Begründungsformen und Konsequenzen aufmerksam. Es wird darüber hinaus die Auffassung vertreten, dass antiaufklärerische Dimensionen zu erkennen sind. Und dann können auch bestimmte Annahmen der Identitätslinken als problematisch gelten, wenn deren formalen Inhalte in einem verallgemeinerten Sinne weiter gedacht werden. Dabei offenbaren sich Gemeinsamkeiten von Identitätslinker und Identitätsrechter in einem strukturellen Sinne.

Nach diesen einleitenden Erläuterungen, die Fehldeutungen des Gemeinten vermeiden sollten, geht es nun um die unterschiedlichen Kritikpunkte: Erstens kann man die Ausrichtung an einem antiindividualistischen Kollektivismus feststellen. Die Einzelnen werden primär als Gruppenangehörige wahrgenommen, was sie auch sind, aber eben in einem vielfältigen Sinne. Die Identitätslinke blickt auf die Mehrheitsgesellschaft und die Minderheitskulturen, die Autonomie des Individuums hat demgegenüber geringere Wertigkeit. Diese Denkperspektive erklärt dann auch Pauschalisierungen, etwa die, wonach Rassismus kein Thema für Weiße sei. Derartige Auffassungen machen berechtigt darauf aufmerksam, dass ein Bewusstseinswandel hinsichtlich der Diskriminierungswahrnehmung notwendig ist. Indessen bestehen dazu unterschiedliche Einstellungen in der Mehrheitskultur, jeweils bedingt durch individuelle Reflexionsprozesse. Umgekehrt teilen nicht alle Angehörigen von Minderheitenkulturen die angeblich in ihnen konstitutiven Prinzipien des kollektiven Selbstverständnisses.

Zweitens besteht ein damit einhergehender Essentialismus in der Gruppenwahrnehmung. Dabei offenbart sich ein Denken in Homogenitätskategorien, werden doch Mehrheitsgesellschaft und Minderheitskulturen im dualistischen Sinne einheitlich wahrgenommen. Die Angehörigen der Erstgenannten gelten als diskriminierend, die Angehörigen der Minderheitenkulturen als diskriminiert. Beides erscheint dann bezogen auf die Gruppen jeweils als deren Wesen. Diese Essenzfixierung nimmt noch weitere Formen an, was der auf „Kulturelle Aneignung“ bezogene Diskurs zeigt. Dort geht man davon aus, dass besondere Eigenschaften wie etwa eine Frisur nur einer bestimmten Gruppe zugeschrieben werden könnten. Häufig sind derartige Annahmen auch kulturgeschichtlich unzutreffend, viel bedenklicher ist aber der damit einhergehende Exklusivitätsanspruch. Auch bezogen auf den hier gemeinten Essentialismus gibt es formale Gemeinsamkeiten mit der Identitätsrechten, wobei dort dann die Inhalte als Vorzeichen andere sind.

“Der gemeinte identitätsbezogene Antirassismus postuliert nicht, dass Hautfarbe keine Rolle mehr spielen solle. Ganz im Gegenteil, erfolgen darüber doch Einteilungen in diskriminierte und dominante Gruppen.”

Drittens geht mit derartigen Auffassungen ein Bedeutungsanstieg ethnischer Zugehörigkeit einher. Der gemeinte identitätsbezogene Antirassismus postuliert nicht, dass Hautfarbe keine Rolle mehr spielen solle. Ganz im Gegenteil, erfolgen darüber doch Einteilungen in diskriminierte und dominante Gruppen. Gegen kritische Anmerkungen dazu wenden Identitätslinke häufig ein, es gehe nicht um biologische, sondern um soziale Kategorien. Gleichwohl erfolgt die Einteilung dann doch wieder über die Hautfarbe. Auch der klassische rassistische Diskurs nahm sozial bedingte Hierarchisierungen vor, wobei biologische Kategorien nur eine scheinbare Legitimation lieferten. Diese auch von der Identitätslinken zutreffend vertretene Position müsste in dem genannten Punkt auch bei ihr zu selbstkritischer Reflexion führen. Stattdessen kursieren dort Auffassungen, wonach etwa ein Schwarzer einen Weißen nicht rassistisch beleidigen könne, denn die Betroffenen würden zu einer Dominanzkultur gehören. Dabei wären aber wieder ethnische Kriterien relevant.

Viertens lässt sich eine Renaissance pauschaler Zerrbilder konstatieren. Gemeint sind damit etwa Auffassungen zu kulturellen Räumen, die von Einseitigkeiten und Stereotypen mit normativen Verwerfungen verbunden sind. Dies kritisieren Identitätslinke durchaus zutreffend, wenn von der herabwürdigenden „Orientalismus“-Vorstellung gesprochen wird. Damit würden Gesellschaften des Nahen Ostens allgemein als „bedrohlich“, „mysteriös“ oder „rückständig“ wahrgenommen. Gegenüber einer solchen einseitigen Fehlwahrnehmung postulieren aber Identitätslinke ihren „Okzidentalismus“, der das Bild von einem „imperialistischen“, „materialistischen“ und „rassistischen“ Westen vermittelt. Beide Fehldeutungen haben ihre wahren Kerne, stellen gleichwohl Zerrbilder dar. Die aufklärerischen Errungenschaften werden von der Identitätslinke hinsichtlich des Westens ignoriert. Damit geraten auch die normativen Grundlagen, die gegenüber einem partikularen einen universellen Antirassismus prägen, aus der Wahrnehmung.

Fünftens lässt sich ein Abschied von der intersubjektiven Überprüfbarkeit wahrnehmen. Als ausreichender Beleg für die Diskriminierung von Minderheiten gilt, wenn die Betroffenen eine derartige Empfindung haben. Der anerkennenswerte Gesichtspunkt dabei ist, dass auch die Blickrichtung der Diskriminierungsopfer wichtig ist. Gleichwohl darf diese Erweiterung von Kenntnissen nicht dazu führen, dass es keine nachvollziehbaren Maßstäbe mehr für eine inhaltliche Zuordnung geben kann. Eine solche Auffassung richtet sich gegen die Forderung, dass Bewertungen intersubjektiv nachvollziehbar sein müssen. Individuelle Empfindungen stellt man damit über wissenschaftliche Grundprinzipien. Derartige Auffassungen laufen dann über eine politische Instrumentalisierung auf subjektive Willkür hinaus. So gelten kritische Einwände zum Islam als „Islamophobie“, ohne für die Bezeichnung genaue Kriterien vorbringen zu können. Den Begriff nutzen denn auch Fundamentalisten und Islamisten, um sich kritischen Prüfungen durch Rassismus-Vorwürfe zu entziehen.

Sechstens lässt sich ein Kulturrelativismus mit antiuniversellem Wertefundament ausmachen. Gemeint ist damit allgemein eine Auffassung, wonach die Eigenschaften einer Kultur nicht zu Wertungen führen sollten. Das Anlegen eines externen Maßstabs gilt als normativer Überlegenheitsanspruch. Mitunter wird darin gar eine geistige Fortsetzung des historischen Kolonialismus gesehen. In dieser Denkperspektive gibt es in den jeweiligen Kulturen gewachsene Normen, die um ihrer selbst willen eine Wertschätzung genießen sollten. Diese Auffassung vertritt die Identitätslinke indessen nur gegenüber Kulturen, die Angehörige von diskriminierten Minderheiten geprägt haben sollen. Für deren einschlägige Besonderheiten müsse soziales Verständnis aufgebracht werden, hinter Einwänden gegen diese stehe häufig ein „kultureller Rassismus“. Diese Grundauffassung negiert notwendigerweise universelle Werte. Denn deren aufklärerische Dimension bildet die normative Grundlage, die auch Kritik an den in Kulturen präsenten Missständen und Verwerfungen ermöglicht.

Siebtens ergeben sich daraus als Konsequenzen menschenrechtsrelativistische Vorstellungen. Gemeint ist damit keine offene Ablehnung der Menschenrechte, bekennt sich doch die Identitätslinke gerade bei ihrem Minderheitenengagement zu ihnen. So sehr sie aber für deren Angehörige gegenüber der Mehrheitsgesellschaft dann Menschenrechte einfordert, was als Engagement begrüßenswert ist, so sehr ignoriert sie Menschenrechtsverletzungen in diesen Minderheitenkulturen. Antisemitismus, Frauendiskriminierung oder Homosexuellenhass etwa unter Muslimen werden nur selten thematisiert. Auch gilt dann die Burka bei einer Frau aufgrund des erwähnten Kulturrelativismus als Selbstbestimmungsakt. Die Berufung auf die Menschenrechte, die innerhalb der gemeinten Kulturen einen konstitutiven Status haben sollten, deutet man als „Menschenrechtsimperialismus“. Es kursiert auch die Auffassung, hier würde von einem „überlegenen Standpunkt“ aus argumentiert, was ebenfalls auf menschenrechtsrelativistische Konsequenzen hinausläuft.

Achtens hätte man es mit folgenreichen Separierungstendenzen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu tun. Dies hängt insbesondere mit der Annahme zusammen, dass die besondere Identität der Minderheitengruppen von diesen unbehindert gepflegt werden soll. Dabei geht es für deren Angehörige nicht um „geschützte Räume“ für die Praxis eigener Wertvorstellungen. Derartiges steht für die Freiheit des Individuums und von Kollektiven, woraus für sich allein keine gesellschaftlichen Probleme entstehen müssen. Anders verhält es sich bei Bestandteilen kultureller Identität, die mit der normativen Basis einer offenen Gesellschaft im Konflikt stehen. Der Fundamentalismus und Islamismus unter Muslimen stehen dafür. Beide Bestrebungen müssen nicht mit Gewalttaten und Terrorismus verbunden sein. Den legalistischen Akteuren geht es mehr um einen politischen Einflussgewinn, der Ideologisierung über Separierung betreiben will. Die Identitätslinke befördert zumindest indirekt und unbewusst durch ihren Werterelativismus solche Wirkungen.

Neuntes lässt sich immer wieder eine Verzerrung der historischen Wirklichkeit ausmachen. Dies sei am Beispiel der Sklaverei im Westen verdeutlicht: Es gehört zu Doppelmoral und Heuchelei, wenn die fundamentale Gleichwertigkeit von Menschen als konstitutives Prinzip des Selbstverständnisses beschworen wird und gleichzeitig im gesellschaftlichen Leben dann Menschen in der Sklaverei als verhandelbare Ware gelten. Genau diese Gegebenheit prägte dauerhaft und wirksam die frühe Geschichte der USA, ein bedeutender Teil des Westens. Die Empörung darüber ist angesichts der Fernwirkungen auch heute noch wichtig. Gleichwohl darf die Einsicht in diese historischen Fakten nicht vergessen machen, dass das Ausmaß und die Dauer der Sklaverei in der afrikanischen und arabischen Welt bedeutend höher waren. In Frankreich endete sie 1794, in Großbritannien 1807, demgegenüber im Iran 1928 und in Saudi Arabien 1962. Doch die Identitätslinke blickt häufig nur auf die Sklaverei im Westen, während die Erinnerung an diese Schande woanders meist ein Tabu ist.

Und zehntens kann man immer wieder die Nutzung politischer Unterstellungen konstatieren. Damit verweigern sich viele Identitätslinke einer kritischen Prüfung, wenn Andersdenkenden ohne Beleg etwa Rassismus vorgeworfen wird. Dabei ist die Feststellung zutreffend, dass auch berechtigte Einwände etwa von Muslimenfeinden, dann aber um einer Pauschalisierung willen vorgetragen werden. Dies gilt etwa hinsichtlich der Frauendiskriminierung in muslimischen Kontexten, wobei man Einwände dagegen zur Verbreitung von pauschalen Vorurteilen instrumentalisiert. Indessen handelt es sich um belegbare Gegebenheiten, die aus frauenrechtlicher Blickrichtung eben Kritik notwendig machen. Diesbezüglich gilt es zwischen einer aufklärerisch-menschenrechtlichen Islamkritik und fremdenfeindlich-hetzerischen Muslimenfeindlichkeit zu unterscheiden. Genau dies geschieht bei der Identitätslinken indessen nicht, werden beide Positionen doch häufig gleichgesetzt. Dabei ist ebenfalls ein ausgeprägter Menschenrechtsrelativismus erkennbar.

Abschließend soll noch einmal ein bereits erwähnter Gesichtspunkt hervorgehoben werden: Es geht bei der formulierten Ideologiekritik an den identitätslinken Positionen nicht darum, die soziale Existenz von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu leugnen oder zu relativieren. Genau diese Behauptung findet sich immer wieder im Diskurs, um eine Immunisierung vor der vorgetragenen Kritik vorzunehmen. Ein identitätsbezogener Antirassismus wird hier vielmehr mit einem universalistischen Antirassismus einer kritischen Prüfung unterzogen. Dabei offenbaren sich auch formale Gemeinsamkeiten mit der Identitätsrechten, was bislang in der Identitätslinken kaum zu einer selbstkritischen Reflexion führte. Diese Auffassung bestreitet nicht die Unterschiede. Denn die Identitätslinke will bestimmten Minderheiten mehr Rechte zugestehen, die Identitätsrechte über einen Nationalismus gesellschaftliche Privilegien verteidigen. Gemeinsam ist ihnen indessen die antiaufklärerische Dimension von Homogenitätsdenken und Menschenrechtsrelativismus.

Prof. Dr. Dipl.-Pol., Dipl.-Soz. Armin Pfahl-Traughber ist hauptamtlich Lehrender an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl, Lehrbeauftragter an der Universität Bonn und Herausgeber des “Jahrbuchs für Extremismus- und Terrorismusforschung”. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Antisemitismus, Extremismus, Ideengeschichte, Religion, Terrorismus und Totalitarismus. Er ist Mitglied im Unabhängigen Arbeitskreis Antisemitismus des Deutschen Bundestages, im Beirat des Bündnisses für Demokratie und Toleranz sowie Beiratsmitglied des Hans-Albert-Instituts.

Hans-Albert-Institut – WebSite https://hans-albert-institut.de/

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