Grüne Kommission „Weltanschauungen, Religionsgemeinschaften und Staat“ nimmt Arbeit auf

BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN wird sich grundlegend in einer parteiweiten Debatte mit dem in der letzten Zeit verstärkt in die öffentliche Kritik geratenen „Religionsverfassungsrecht“ befassen. Die vom Bundesvorstand zu diesem Thema eingesetzte Fach-Kommission wird Mitte Februar die Arbeit aufnehmen.

Als Stichworte für die Notwendigkeit einer umfassenden Bestandsaufnahme seien neben vielen anderen nur folgende genannt: der Kölner Krankenhausskandal, der Limburger Finanzskandal, die Diskriminierungen der Arbeitnehmer- Innen in kirchlichen Betrieben und die reaktionären Äußerungen aus den christlichen Großkirchen zu den grün-roten Plänen in Baden-Württemberg, die „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ als Ziel in den Bildungsplan 2015 aufzunehmen.

Der Bundesweite Arbeitskreis Säkulare Grüne bewertet die Einberufung der Kommission als einen deutlichen Erfolg seiner jetzt knapp einjährigen Tätigkeit.

Seit den religionspolitischen Gesprächen mit dem Bundesvorstand im April 2013 (im Vorfeld der Wahlprogrammdebatte) haben die Säkularen Grünen auf die Arbeitsaufnahme der Kommission orientiert, eine Zusage des damaligen BuVo zur Kommissionseinrichtung erhalten und einen entsprechenden Beschluss auf der BDK im Oktober 2013 herbeigeführt. Mit diesem mit großer Mehrheit gefassten Beschluss wurde die umgehende Einrichtung der Kommission und deren baldige Arbeitsaufnahme gefordert. Dem ist der im Oktober neugewählte BuVo zügig nachgekommen. Ein besonderer Dank hierfür geht an Bettina Jarasch (Mitglied im BuVo), die diese Angelegenheit konsequent vorantreibt.

Für die Säkularen Grünen sind vom BuVo Mariana Pinzón Becht (Bundessprecherin und Landessprecherin Säkulare Grüne Baden-Württemberg) und Walter Otte (Bundessprecher und Sekretär des AK Säkulare Grüne Berlin) in die Kommission berufen worden. Durch die Berufung von Berivan Aymaz (Landessprecherin Säkulare Grüne NRW) und Jürgen Roth (Landessprecher Säkulare Grüne Berlin) wird säkularen Positionen weiteres Gewicht verliehen.

Die Gesamtzusammensetzung sowie die Aufgabenstellung der Kommission ergibt sich aus den Ausführungen des Bundesvorstandes im Beschluss vom 16.12.2013: http://www.gruene.de/partei/neue-kommission-zum-verhaeltnis-von-staat-und-religion.html und http://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/_test/Religionskommission-Beschluss-Buvo-20131216_01.pdf
Die Kommission wird von der Grünen-Bundesvorsitzenden Simone Peters und dem Bundesvorstandsmitglied Bettina Jarasch (Grünen-Landesvorsitzende Berlin) geleitet, vertreten sein werden dort u.a. Mitglieder des Bundestages und verschiedener Landtage, des Europaparlaments sowie verschiedene Landesvorsitzende. Die hochkarätige Zusammensetzung der Kommission berücksichtigt die wichtigsten Beteiligten an religionspolitischen Themen innerhalb der Grünen.

Bettina Jarasch hat in der Mitteilung des BuVo zur Einberufung der Kommission erklärt, dass es die Frage zu klären gelte, „welcher Veränderungs- bedarf im Verhältnis von Staat, Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften angesichts einer immer stärker säkularisierten Gesellschaft besteht“, Sie hat in ihrer Erklärung auch deutlich auf ein Alleinstellungsmerkmal der Grünen unter den bundesrepublikanischen Parteien hingewiesen: „Von Union und SPD sind hier keine Antworten zu erwarten, sie verharren in dieser Frage auf dem Status Quo“. Dem können die Säkularen Grünen nur zustimmen.

Von entscheidender Bedeutung für die Säkularen Grünen ist, dass parallel zur Kommissionsarbeit eine breite Debatte innerhalb der Grünen organisiert werden soll, dass auch die Länderebenen sich an dieser Debatte beteiligen sollen und dass für den Herbst 2014 – nach einem Zwischenbericht – ein Kongress bzw. Symposium vorgesehen ist. Verbände und Religionsgemeinschaften, aber auch die Öffentlichkeit, werden in diesen Prozess einbezogen. Nach dem Abschlussbericht im Sommer 2015 ist dann eine BDK vorgesehen, auf der nach weiterer innergrüner Diskussion, Beschlüsse zu diesem Thema gefasst werden sollen.

In der Kommission werden die relevanten Themenfelder zum Verhältnis von säkularem Staat und Religions- sowie Weltanschauungsgemeinschaften bearbeitet werden. Festgeschrieben ist auf Betreiben der Säkularen Grünen durch einen Beschluss des früheren Bundesvorstands aus dem April 2013, dass auch das im Jahr 2012 innerhalb der Grünen hochumstrittene Thema der Jungenbeschneidung Gegenstand der Kommissionserörterungen sein wird.

Kritik ist bislang an der Zusammensetzung der Kommission dahingehend laut geworden, dass zwar eine Reihe von Kommissionsmitgliedern der evangelischen und katholischen Kirche angehören und dort auch Funktionen ausüben, nicht aber dem Humanistischen Verband Deutschlands (hvd) angehörende Parteimitglieder berücksichtigt worden sind, obwohl dieser Verband ein wichtiger Beteiligter auf dem Feld des Weltanschauungsunterrichts ist. Kritik gibt es auch an einer als einseitig empfundenen Besetzung mit grünen Parteimitgliedern mit muslimischem und alevitischem Hintergrund.

Festzuhalten aber ist : BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN ist die einzige Partei in Deutschland, die sich grundsätzlich und in einem aufwändigen Debattenprozess mit den Herausforderungen der gesellschaftlichen Entwicklung auf die Definierung „Staatlicher Neutralität gegenüber Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften“ auseinandersetzen wird.

Dass dies so ist, daran haben die Säkularen Grünen einen entscheidenden Anteil – und: die Säkularen Grünen sind maßgeblich an der Diskussion beteiligt.

Walter Otte

 

Dokumentation:

1. Beschluss des BuVo vom 22.04.2013:
„Der Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen wird nach der Bundestagswahl 2013 eine Kommission zum Thema “Weltanschauungen, Religionsgemeinschaften und Staat” einrichten, um unter anderem über Themen, wie Staatsleistungen, Religionsunterricht, Beschneidung, Gleichstellung der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften sowie anderer Weltanschauungen und die Trennung von Religionsgemeinschaften und Staat zu debattieren. Ziel ist es einen Kommissionsbericht bis Ende 2014 vorzulegen, die innerparteiliche Debatte aufzugreifen und dieses Thema anschließend auf einer BDK zu beraten”

2. Beschluss der BDK vom 18.-20.10.2013
„Verhältnis Staat, Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften auf neue Grundlage stellen

Die BDK begrüßt den Beschluss des Bundesvorstands vom 22.04.2013, eine Kommission zum Thema Weltanschauungen, Religionsgemeinschaften und Staat einzurichten, die ein umfassendes Konzept zur Reform des Verhältnisses zwischen Staat, Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften erarbeiten und eine spätere Beschlussfassung einer BDK vorbereiten soll. Der neu gewählte Bundesvorstand wird gebeten, mit der Arbeit der Kommission noch in diesem Jahr zu beginnen.“

Stellungnahmen zur Einrichtung der BuVo-Kommission:

Grüne: Zum Verhältnis „Staat und Religion“ http://hpd.de/node/17483

Bündnis 90/Die Grünen: Neue Kommission zum Verhältnis von Staat und Religion http://www.diesseits.de/perspektiven/nachrichten/deutschland/1387234800/buendnis-90die-gruenen-neue-kommission-zum-verhaeltn

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