Polen: Manifest des „Kongresses der Weltlichkeit“ nun in deutscher Sprache

In Polen tut sich etwas. Wir bringen eine Übersetzung des Manifests, das auf dem KOngerss der Weltlichkeit verabschiedet worden ist.

Das Original findest Du unter https://kongresswieckosci.pl/

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Warschau, 22. Oktober 2017
Manifest des Kongresses der Weltlichkeit

Wir, die Unterzeichner, in Verantwortung für die Republik Polen, in Sorge um die Beachtung der Rechte und der bürgerlichen Freiheiten sowie der Verfassungsordnung und das internationale Ansehen unseres Staates, widersetzen uns der Klerikarisierung des öffentlichen Lebens und der Begünstigung jeglicher Religion im polnischen Rechtssystem.

Wir erklären den Aufbau eines demokratischen, weltlichen Rechtsstaates zu unserem Ziel.
Wir meinen, dass folgende Maßnahmen notwendig sind, um dieses Ziel zu erreichen:

• die Abschaffung von Artikel 196 des Strafgesetzbuches über die Beleidigung der sogenannten religiösen Gefühle oder die Änderung dieser Bestimmung, die die Rechte und das Empfingen der nichtreligiösen Menschen berücksichtigt;
• der Beschluss über das Recht der Bürger auf Kontrolle und Einsicht in die Inhalte ihrer personenbezogenen Daten, die von Kirchen und religiösen Vereinigungen gesammelt und verarbeitet werden;
• die Abschaffung der gesetzlichen Finanzprivilegien sämtlicher Kirchen und religiöser Gemeinschaften;
• die rechtliche Angleichung von Kirchen und religiösen Vereinigungen mit weltlichen Weltanschauungsorganisationen, darunter auf dem Gebiet der Besteuerung;
• die Kündigung des Konkordats, das die katholische Religionsgemeinschaft bevorzugt oder dessen Neuverhandlung mit dem Ziel, die übermäßigen Privilegien der römisch-katholischen Kirche abzubauen;
• die Beendigung der Finanzierung von Kirchen, religiösen Verbänden und kirchlichen Institutionen und des Klerus aus dem Staatshaushalt und lokalen Budgets und im Falle der Aufrechterhaltung der Finanzierung jeglicher Art, die Einhaltung des Grundsatzes der vollständigen Transparenz und Kontrolle;
• die Durchsetzung des weltlichen Charakters der öffentlichen Schulen, unter Einhaltung des Prinzips religiöser und weltanschaulicher Neutralität, sowie die Durchsetzung der Bildung auf der Grundlage der Errungenschaften der Wissenschaft und universellen Wertesystems, die durch die internationale Gemeinschaft in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dem Recht der Europäischen Union und durch polnische Bürger in der polnischen Verfassung anerkannt wurde;
• die Religion aus dem Schulpflichtplan zu nehmen und sie mit anderen nichtobligatorischen Fächern gleichermaßen zu behandeln;
• die Einführung des Antidiskriminierungsunterrichts in Schulen, einschließlich Fragen der Weltanschauungs- und Kulturvielfalt;
• die Gewährleistung allgemeiner, physischer und ökonomischer Verfügbarkeit von Kontrazeptiva;
• die Liberalisierung des Anti-Abtreibungsgesetzes und die Einführung von Sexualerziehung in Schulen;
• die staatliche Finanzierung der In-vitro-Befruchtung als Methode der Behandlung der Unfruchtbarkeit;
• die Änderung oder die Aufhebung der so genannten Gewissensklausel, gemäß Artikel 39 des Gesetzes über den Beruf des Arztes und des Zahnarztes, da sie die Rechte der Patienten beschränkt, medizinische Dienstleistungen und Verfahren in Anspruch zu nehmen;
• das Recht jedes Menschen auf einen würdigen Tod, ungeachtet der Religion oder des Glaubens der Ärzte und des medizinischen Personals;
• die Einführung der Ehegleichheit und für Personen, die sich nicht in traditioneller Ehegemeinschaft wiederfinden – die Einführung einer Partnerschaftsform, die sowohl den Paaren unterschiedlichen Geschlechts, als auch gleichgeschlechtlichen Paaren offensteht;
• die Sicherstellung, dass der Staat die Grundsätze der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit uneingeschränkt einhält und dass jeder, unabhängig von seiner Religion oder Weltanschauung, vollständig gegenüber dem Gesetz und der Gleichbehandlung durch öffentliche Behörden gleichgesetzt wird;
• die Achtung des verfassungsmäßigen Rechts, Glaubensüberzeugungen und religiöse Überzeugungen sowie die Zugehörigkeit zu Kirchen oder religiösen Vereinigungen nicht offen zu legen;
• den weltlichen Charakter der öffentlichen Institutionen wiederherzustellen, einschließlich Kindergärten und Schulen, staatlichen Behörden, zivilen und militärischen Diensten, sowie den Zeremonien und staatlichen Feierlichkeiten;
• die staatliche Unterstützung der Nichtregierungsorganisationen, die zugunsten der Menschen- und Bürgerrechte und von Schutz der Rechte von Frauen, Kindern, Behinderten und Opfern von Gewalt wirken;
• die harte Bestrafung schwerer Verletzungen von Frauenrechten, einschließlich sexueller und reproduktiver Rechte;
• die wirksame Umsetzung und Einhaltung der Konvention zur Vermeidung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt;
• die Verbreitung von Vorschriften über den Schutz der Natur und der Tierrechte und wirksame Durchsetzung ihrer Anwendung, sowohl im Bereich der Zucht und Forschung und religiöser Praktiken, unter Berücksichtigung des Tierwohls und Verringerung der Leiden der Tiere.
Wir erkennen, dass die Freiheit des Denkens, des Gewissens und der Religion eng mit der Trennung von Kirche und Staat und Fragen der Präsenz der Religion in der Öffentlichkeit verbunden ist. Wir erklären darüber hinaus, dass wir uns für die Einrichtung einer Institution für Forschung und Wissenschaft einsetzen werden. Die Aufgabe dieser Institution wird die Überwachung der Einhaltung die Rechte, welche die Weltlichkeit des Staates garantieren, die Untersuchung des Einflusses der Religion und Kirchen auf das gesellschaftliche und politische Leben in Polen und das Vorschlagen der politischen und rechtlichen Veränderungen zum wirksamen Schutz der Rechte und Freiheiten aller Bürger, das Respektieren des weltlichen Charakters des Staates und die Stärkung der demokratischen Kultur in Polen.

Im Namen der Gruppierungen:
Inicjatywa Feministyczna – Feministische Initiative – Katarzyna Kądziela
Inicjatywa Polska – Polnische Initiative – Paulina Piecha-Więckiewicz
Partia Razem  – Partei Zusammen  – – Dorota Budacz
Sojusz Lewicy Demokratycznej – Demokratisches Linksbündnis – Joanna Senyszyn
Socjaldemokracja Polska – Polnische Sozialdemokratie – Arkadiusz Kasznia
Unia Pracy – Arbeitsunion – Dariusz Nowak
Wolność i Rόwność – Freiheit und Gleichheit – Piotr Musiał
Partia Zieloni – Partei die Grünen – Marek Kossakowski &Aleksandra Kołeczek

Übersetzung aus dem Polnischen: Krystyna Grendus

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