Unsere Solidarität gehört den streikenden Frauen in Polen!
Polen ist eines der wenigen europäischen Länder, in denen Frauen das Recht auf einen selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch verwehrt wird. Darüber hinaus gibt es von Zeitzu Zeit immer neue Ideen zur Verschärfung des Abtreibungsgesetzes. Das jüngste Urteil des Verfassungsgerichtes, mit dem das Abtreibungsverbot massiv verschärft wurde, löste eine landesweite Protestbewegung mit zahlreichen Demonstrationen aus und bewog die Organisation des „Allpolnischen Frauenstreiks“ dazu, die Bürgerinnen landesweit zurNiederlegung der Arbeit aufzufordern.
Bislang war eine legale Abtreibung in unserem Nachbarland nur in drei Fällen möglich, und zwar:
• wenn eine Schwangerschaft eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit einer schwangeren Frau darstellt,
• wenn vorgeburtliche Tests oder andere Erkrankungen auf eine hohe
Wahrscheinlichkeit einer schweren und irreversiblen Beeinträchtigung des Fötus oder einer unheilbaren lebensbedrohlichen Krankheit hinweisen und
• ein berechtigter Verdacht besteht, dass die Schwangerschaft auf eine Straftat wie Vergewaltigung oder Inzest zurückzuführen ist.
Viele Bürgerinnen kämpfen seit Jahren für die Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes in Polen. Es gibt auch viele konservative katholische Gegner*innen dieser Idee, die die Abtreibung stattdessen vollständig verbieten wollen. Diese Haltung wird durch die starke Einmischung der konservativen Kirche in Polen zusätzlich gestärkt. Da in Polen die katholische Kirche sehr großen Einfluss auf die Meinungsbildung hat, fühlen sich die konservativen Kräfte in ihren Forderungen bestärkt.
Am 22. Oktober 2020 hat das Verfassungsgericht ein Urteil zu einem der oben genannten Punkten der Zulässigkeit von Abtreibungen in Polen erlassen. Das Gericht erklärte Schwangerschaftsabbrüche aufgrund schwerer und unheilbarer Defekte des Fötus für verfassungswidrig. Einige Monate zuvor hatten 119 Mitglieder des Sejm eine solche Entscheidung beantragt. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts bedeutet, dass eine
Abtreibung in Polen künftig nur möglich ist, wenn das Verfassungsgericht dem eingereichten Antrag zustimmt, wenn eine Schwangerschaft infolge von Vergewaltigung stattgefunden hat oder wenn die Schwangerschaft das Leben oder die Gesundheit der Frau gefährdet.
Bereits am 21. Oktober 2020 marschierten mehrere Dutzend Frauen durch die Straßen Warschaus zum Sitz des Verfassungsgerichts. Im Sejm kam es in dieser Woche zu erheblichen Auseinandersetzungen, in denen weibliche Abgeordnete insbesondere den IS–Vorsitzenden Jarosław Kaczyński zur Rede stellten, der als treibende Kraft hinter den frauenfeindlichen Verschärfungen steht. Über einhundert verschiedene soziale Organisationen, darunter auch die polnischen Grünen, die sich als „Große Koalition für Gleichheit und Wahl“ zusammengeschlossen haben, kämpften gegen diesen Antrag des Parlaments, die Abtreibung zu verschärfen. Ihre Mitglieder unterzeichneten eine Petition, in der sie forderten, dass das Dokument aus dem Verfassungsgericht zurückgezogen wird. Damit konnten sie sich aber nicht gegen die 119 Abgeordneten durchsetzen.
Das Verfassungsgericht in Warschau hat das Verbot des Schwangerschaftsabbruchs für gesetzlich wirksam erklärt. Damit unterliegen die Frauen in Polen faktisch einem gesetzlichen Gebärzwang.
Diese Entscheidung hat tausende Frauen und Männer in Polen auf die Straßen getrieben. Der Widerstand der Bürgerinnen, darunter sehr vieler jungen Menschen, ist stark. Für dem 28. Oktober 2020 wurde zu flächendeckenden Streiks aufgerufen. Die Streikenden bekommen Zuspruch von vielen Menschen aus Kultur, Wissenschaft und Politik. So haben die Rektoren der renommierten Jagiellonen-Universität in Krakau sich gegen das Gesetz und hinter die Streikenden gestellt. Genauso haben der Oberbürgermeister der Stadt Krakau, Jacek Majchrowski, sowie der Oberbürgermeister von Warschau, Rafal Trzaskowski, den Frauen, die am heutigen Streik teilnehmen möchten, ihre Unterstützung erklärt.
Die Streikenden fordern u. a.:
• den Rücktritt der Verfassungsrichterin Przyłębska und die Etablierung eines echten Verfassungsgerichts
• die Wiederherstellung eines ordnungsgemäß zusammengesetzten Obersten Gerichtshofs,
• den vollen Schutz der Frauenrechte, einschließlich des Rechts auf legale Abtreibung, Sexualerziehung, Empfängnisverhütung und Schutz vor Gewalt in Polen,
• die Etablierung eines säkularen Staats, einschließlich der Einstellung der Finanzierung der Kirche aus dem Staatshaushalt und die Befreiung des staatlichen Schulwesens von Eingriffen der katholischen Kirche,
• sowie den Rücktritt der polnischen Regierung.
Wir Sprecher*innen der BAG Säkulare Grüne unterstützen die Proteste der
Demonstrant*innen gegen die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes und treten für dessen Liberalisierung in unserem Nachbarland Polen ein!
Frauen in Polen und überall auf der Welt brauchen ein Recht auf legale und sichere Schwangerschaftsabbrüche!
28.10.2020
Ute Wellstein (Sprecherin), Walter Otte (Sprecher)
Krystyna Grendus (stv. Sprecherin), Lino Klevesath (stv. Sprecher)
Näheres zu den Vorgängen in Polen steht unter dem folgenden Link:
https://hpd.de/artikel/polnische-regierung-entrechtet-und-entmuendigt-frauen-18622
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