Religiös motiviertes Mobbing in Schulen aktiv bekämpfen

BAG Säkulare Grüne:

Religiös motiviertes Mobbing in Schulen — Bündnis 90 / Die Grünen muss dieses Thema offensiv angehen –– Gemeinsamer Unterricht über Werte, Menschenrechte, Religionen und Weltanschauungen für alle Kinder und Jugendlichen

Derzeit mehren sich die Berichte über religiös bedingtes Mobbing in Schulen. Nicht nur an Berliner Schulen gibt es immer wieder Vorfälle, in denen Schüler*innen andere als „Nichtrechtgläubige“ und „Ungläubige“ herabwürdigen, beleidigen sowie bedrohen. In Einzelfällen sind sogar Tötungsdrohungen bekanntgeworden. Auch wird Zwang und sozialer Druck zum Befolgen der angeblich richtigen – konservativ-orthodoxen – religiösen Regeln ausgeübt.

Immer häufiger wird auch von muslimisch motiviertem Antisemitismus schon bei Grundschüler*innen berichtet. Hinter diesen antisemitischen Einstellungen stehen häufig anti-jüdische Auslegungen des Islam und/oder türkischer wie arabischer Nationalismus.

Vorfälle und Entwicklungen dieser Art dürfen nicht länger unter den Teppich gekehrt oder verharmlost werden. Die real vorhandenen Probleme müssen von Bündnis 90 / Die Grünen, von den linken und linksliberalen politischen Kräften insgesamt offen thematisiert werden. Es geht um eine Verteidigung der offenen Gesellschaft, die Toleranz und „Respekt“ gegenüber JEDEM Menschen, jeder Ethnie und jedes kulturellen Hintergrundes aktiv einfordert – egal, ob gläubig oder ungläubig. Diese Gesellschaft muss religiöses Mobbing offensiv bekämpfen.

Das Problem religiösen Mobbings liegt nicht primär bei den Kindern, sondern bei ihren Elternhäusern, im familiären, sozialen und religiösen Umfeld. Von dort erhalten
die Kinder ihre Impulse und Vorbilder. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, die jeweiligen Eltern in die Diskussion über religiöses Mobbing einzubeziehen.
Wenn Eltern nicht bereit oder in der Lage sind, im Bereich Religion und Weltanschauungen erzieherische Arbeit zur Toleranz zu leisten, sind öffentliche Stellen gefordert, diesen Defiziten entgegenzuwirken. Insbesondere müssen für Eltern geeignete Formate geschaffen werden, die unter maßgeblicher Beteiligung auch der demokratischen Migrantenverbände zum regelmäßigen Angebot von Schulen gehören.

Den Pädagog*innen in den Schulen kommt dabei eine besondere Rolle zu. Aufklärung, Bildung und Erziehung der Kinder sind wichtige und unverzichtbare Beiträge zu interkultureller Toleranz. Die Arbeit für Toleranz benötigt eine gemeinsame Wertebasis. Erforderlich ist ein Wissen über die unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen. Dies erfordert mehr als gelegentliche Schwerpunktstunden oder Projektwochen. Respektvoller Umgang miteinander auf einer gemeinsamen Wertebasis muss vom ersten Schultag an das Schulleben bestimmen. Diskriminierende Verhaltensweisen oder Äußerungen von Schüler*innen müssen (immer) sofort thematisiert werden – unabhängig von jeglichem Fachunterricht; jede/r Pädagog*in ist hier in der Pflicht.

Entscheidend ist für uns, dass die Pädagog*innen Kindern, die gemobbt werden, beistehen und auch Mitschüler*innen motivieren, sich mit derartig drangsalierten Kindern zu solidarisieren. Die Schule muss dafür sorgen, dass die betroffenen Kinder sich in ihrer Schulklasse wieder wohlfühlen können. Auch muss die Schule einen engen Kontakt zu den Eltern halten und mit diesen gemeinsam erörtern, wie dem Kind geholfen werden kann.

Dieses Mobbing geht, nach Allem, was bisher bekannt geworden ist, ausschließlich von Schüler*innen aus, in deren Familien chauvinistische und intolerante Auslegungen des Islams vorherrschen.
Wenn Eltern sich gezwungen sehen, religiös fundamentalistisch, oder religiös-nationalistisch gemobbtes Kind von der bisherigen Schule zu nehmen, ist dies eine Niederlage für die offene Gesellschaft.

Notwendig ist aber auch ein ständiger gemeinsamer Unterricht über Werte und die Religionen und Weltanschauungen anderer Menschen ab dem ersten Schuljahr. Mit der religiös-weltanschaulichen Segregation der Kinder muss umgehend Schluss sein.

Prävention, Aufklärung und Empathie müssen das pädagogische Handeln bestimmen. Mobbende Schüler*innen müssen gewonnen und integriert, aber nicht durch Strafen ausgegrenzt werden – was sie in negativen Einstellungen nur bestärken würde. Für diese notwendige, schwierige Arbeit müssen alle Pädagog*innen besser und umfassender unterstützt und fortgebildet werden.
Schulverweise, aber auch die Anwendung des Strafrechts sollten immer nur ultima ratio nach vorangegangenen intensiven präventiven Bemühungen sein.

Demagogischen Vereinfachungen und ihren Forderungen, etwa nach Herausnahme der Kinder aus den Familien, muss entschieden entgegengetreten werden.

Behörden und Gesellschaft haben die Aufgabe, klar und unmissverständlich gegen jede Form von religiös oder weltanschaulich motiviertem Mobbing vorzugehen.

(beschlossen auf der Vierten Versammlung der BAG Säkulare Grüne, Hannover, 2018)

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