Robert Habeck: Religion zu Folklore – CSU bricht Verfassungsprinzipien

Religion zu Folklore

Die CSU degradiert Glauben zu Brauchtum

Erst habe ich es für Ungeschick gehalten, dann für Dämlichkeit, jetzt wird klar, dass es Perfidie ist: Mit der Kreuzpflicht instrumentalisiert die CSU die Religion und den Glauben für parteitaktische Rancune. Dafür ist den C-Politikern aus Bayern scheinbar jedes Mittel Recht, auch wenn es Unrecht ist. Ministerpräsident Söder bricht sehenden Auges Prinzipien unserer Verfassung und setzt sich über Verfassungsurteile zur Religionsfreiheit hinweg. Verfassungsminister Seehofer ruft faktisch zur Ausgrenzung von Religionen auf. Will die CSU Deutschland zu einem Gottesstaat machen?

 

Die CSU macht Religion zu Folklore

Dass sich liberale Demokraten dagegen wehren müssen, liegt in der Natur der liberalen Demokratie. Der eigentliche Skandal ist der Missbrauch des Glaubens jedoch für die Gläubigen selbst. Denn das Ausweichen der CSU-Politiker, wenn man sie denn mal mit der Konsequenz ihrer Aussagen oder Beschlüsse konfrontiert werden, auf die „christliche Tradition“, auf die „jüdisch-christlichen Werte“ des „Abendlandes“ verdinglicht den Glauben und degradiert ihn zu einem Brauchtum. Markus Söder gibt das sogar freimütig zu, wenn er sagt: „Das Kreuz ist nicht ein Zeichen einer Religion.“ Die CSU verhöhnt das, was sakral, ehrwürdig oder für einige heilig ist  und würdigt es zu einem folkloristischen Gegenstand herab. Und zwar nicht den Islam sondern ausdrücklich und vor allem auch den christlichen Glauben.

Empathie, nicht Zurschaustellung

Mal abgesehen davon, dass die christliche Tradition auch die Kreuzzüge, die Inquisition, die Hexenverbrennung, den 30igjährige Krieg und ungezählte Religionskriege sonst, die Plünderung Süd- und Mittelamerikas und Koppelschnallen mit der Aufschrift „Gott mit uns“ beinhaltet, zeugt ein Vorgehen nicht nur von Geschichtsvergessenheit, sondern von mangendem Verständnis der Religion selbst. Das Christentum ist eine Mitleidsreligion. Die Menschwerdung Gottes, sein Tod am Kreuz, seine Auferstehung überwindet die Weltlichkeit. Was Christen verehren, ist die Schwäche, die Empathie, die Liebe, gar das Leid. Nicht aber den Pomp, das Zurschaustellen, das Pompöse.

Andersheit und Anerkennung

Und der jüdische Anteil unserer Geschichte gemahnt uns zur Wachsamkeit, Identität nicht aufzwingen zu wollen. Anders sein zu dürfen und trotzdem anerkannt zu werden, das ist der Auftrag, der Deutschland aus unserer unrühmlichen Geschichte im Umgang mit dem Judentum erwächst. Und beides verrät und missachtet die CSU. Die CSU zerstört gerade die Fundamente zerstört, auf die sie sich beruft.

Der jüdische Philosoph Emmanuele schreibt in „Totalität und Unendlichkeit“, „Menschsein heißt zu wissen, dass die Freiheit in Gefahr ist.“ Mit Blick auf die Kampagne der CSU muss man ergänzen, dass die Freiheit des Glaubens gefährdet, weil sie ihn missbraucht.

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