Stellungnahme Kirchensteuer für Muslime: „Moscheesteuer“ – ein Irrweg

 

Zur aktuellen Diskussion um die Einführung einer „Moscheesteuer“ erklären die Sprecher*innen der BAG Säkulare Grüne:

 

Gegenwärtig wird von Politiker*innen die Forderung nach Einführung einer „Moscheesteuer“ für die islamischen Verbände erhoben. Zur Begründung der über die Medien breit erörterte  Forderung wird angeführt, dass damit eine Finanzierung aus dem Ausland unterbunden und dadurch eine Unabhängigkeit der Verbände von ausländischen Geldgebern (etwa dem türkischen Staat, den Muslimbrüdern, den Wahhabiten) erreicht werden könnte.

Offenbar ist einigen Politiker*innen der Kompass für die Beurteilung der Situation vollständig abhandengekommen; es werden Wunschvorstellungen verbreitet, die ohne realen Bezug sind. Wären die islamischen Verbände an einer Unabhängigkeit vom Ausland interessiert, hätten sie – was sie rechtlich könnten – bereits Mitgliedsbeiträge eingeführt, um sich finanzieren zu können. Dies ist jedoch nicht der Fall, und es gibt schon deshalb keinen plausiblen Grund zur Annahme, sie würden eine „Moscheesteuer“ einführen, wenn ihnen dies rechtlich möglich wäre.

Mit der Forderung nach einer „Moscheesteuer“ käme man  in der Sache lediglich dem von den islamischen Verbänden seit Jahren beharrlich verfolgten Ziel näher, den Status einer (Religions-) Körperschaft des Öffentlichen Rechts zu erhalten Die Verleihung dieses Status würde ihnen wirkmächtigen Einfluss auf Bildung und Erziehung sowie öffentliche Entscheidungen eröffnen. Ihnen würde die Verbreitung ihrer konservativ-orthodoxen Islamvorstellungen, ihrer rückwärtsgewendeten Vorstellungen zum Verhältnis von Frauen und Männern, ihre Propagierung eines türkischnationalistischen Islam beispielsweise wesentlich erleichtert werden. Dieses Motiv hat für die Verbände erheblich mehr Bedeutung als die Möglichkeit der Erhebung einer „Moscheesteuer“.

Es ist ein Trugschluss, zu glauben, eine „Moscheesteuer“ würde den Import von Imamen – insbesondere aus der Türkei – unterbinden. Die Importimame, die die Vorstellungen des AKP-Islams verbreiten und türkischen Nationalismus predigen, könnten auch weiterhin nach Deutschland kommen und sich als Bedienstete von der Religionsbehörde Diyanet bezahlen und anleiten lassen. Aus den Einnahmen aus einer „Moscheesteuer“ sind nicht zwangsläufig Imame zu bezahlen, sie können auch für andere Verbandszwecke verwendet werden.

Die Entsendepraxis kann allenfalls auf politischer Ebene beendet werden.  Hierzu müssten zuerst die deutschen Behörden ihre möglichen rechtlichen Handhaben prüfen und dann auch konsequent umsetzen.

Wir lehnen eine Religionssteuer für Muslime in Deutschland nach dem Vorbild der Kirchensteuer ab. Voraussetzung für das Recht der Steuererhebung wäre die Anerkennung der islamischen Verbände als öffentlich-rechtliche Körperschaften. Da die Moscheegemeinden jedoch nicht mitgliedschaftlich strukturiert sind, dürfen sie von den zuständigen Bundesländern auch nicht als öffentlich-rechtliche Körperschaft anerkannt werden. Auch in Hinsicht auf die für die Anerkennung als Körperschaft erforderliche Verfassungstreue kommt eine Anerkennung nicht in Betracht. Islamisten, Muslimbrüder, Wahhabiten und ähnliche Strömungen sind nicht verfassungstreu.

Wer lediglich eine von einer ausländischen Regierung gelenkte Behörde darstellt, wie Ditib, verstößt bereits gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der „Trennung von Staat und Kirche“. Gegen eine Anerkennung spricht auch die Abhängigkeit der meisten Islamverbände von der Obrigkeit der Herkunftsländer ihrer Vorstände, Geistlichen und Mitglieder. Verbände wie Ditib nutzen ihre Stellung schon jetzt schamlos aus, das Erdogan-Regime vor seinen Gegner*innen zu „schützen“ und diese zum Schweigen zu bringen. Damit beschädigen sie die Glaubensfreiheit der Menschen aus islamisch geprägten Staaten, indem sie mit allen Mitteln eine extrem konservative Islamauslegung durchzusetzen versuchen und andere Vorstellungen bekämpfen.

Das Recht, mit Hilfe der Finanzämter eine „Moscheesteuer“ erheben zu dürfen, würde zudem dem Missbrauch Tür und Tor öffnen. Die Behörden wären nämlich verpflichtet, die höchst vertraulichen Steuerunterlagen – vermeintlicher – Mitglieder an die Verbände und damit faktisch auch an die Religionsbehörden der Herkunftsländer herauszugeben. Mit diesem Wissen in der Hand könnte der religiöse und politische Druck auf die Betroffenen erheblich gesteigert werden; der deutsche Staat selbst wäre an der Ermöglichung dieses Druckes beteiligt, weil er zum einen die entsprechenden Informationen übertragen müsste und zum anderen mit Hilfe seiner abgabenrechtlichen Zwangsmittel gegen vermeintliche Muslim*innen vorgehen müsste.

Das Kirchensteuersystem in Deutschland ist mittlerweile 100 Jahre alt und noch auf eine längst  obsolet gewordene Identität von Bürger und Christ zugeschnitten. In wenigen Jahren werden die Mitglieder der beiden großen christlichen Kirchen in der Minderheit sein. Den Anforderungen an die stetig wachsende religiös-kulturelle Vielfalt ist das Kirchensteuersystem schon längst nicht mehr gewachsen.

Bündnis 90/Die Grünen hat in einem Grundsatzbeschluss 2016 in Münster erste Schritte auch für eine Reform  der Kirchensteuer beschlossen. Dieser Beschluss ist eine solide Grundlage für die anstehende gesellschaftliche Debatte über das künftige Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften.

2. Januar 2019

 

Diana Siebert                Walter Otte

Sprecherin                     Sprecher

Ute Wellstein                 Lino Klevesath

stv. Sprecherin               stv. Sprecher

BAG Säkulare Grüne

……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………….

Positionspapier Säkulare Grüne zur Islampolitik: http://saekulare-gruene.de/wp-content/uploads/2016/01/Beschluss-Islam.pdf

Beschluss Bundesdelegiertenkonferenz Münster 2016: https://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/BDK_2016_Muenster/RW-01_Religions-_und_Weltanschauungsfreiheit.pdf

 

 

 

 

 

Verwandte Artikel