Warum reiste die gesamt deutsche Staatsspitze zur Beerdigung von Ex-Papst Benedikt nach Rom? – Wer wacht über die staatliche Neutralität in Religionsangelegenheiten?

Stellungnahme BAG Säkulare Grüne

Die Beisetzung des emeritierten Papstes Benedikt XVI. am 5. Januar wirft Fragen auf. Neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz gehörten der deutschen Delegation neben Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und Bundesratspräsident Peter Tschentscher auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, an. Es ist ohne Beispiel, dass die Spitzen aller fünf Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland zu einem Begräbnis eines ehemaligen Staatsoberhaupts in ein anderes Land reisen. Sogar die Beisetzungsfeierlichkeiten von Königin Elisabeth II. als regierendem Staatsoberhaupt und Oberhaupt der Church of England war lediglich dem Bundespräsidenten eine Reise wert. Dass die gesamte Staatsspitze diesmal nach Angaben des Präsidialamtes in verschiedenen Flugzeugen nach Rom flog, macht die Sache zwar erheblich teurer, aber nicht besser.

Besonders irritierend ist die Teilnahme des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts. Das CDU-Mitglied Harbarth hat als offizieller Vertreter des obersten Verfassungsorgans Bundesverfassungsgerichts auf diese Weise der katholischen Kirche ein Loyalitätsbekenntnis des höchsten deutschen Gerichts überbracht. Es ist nicht bekannt, dass eine entsprechende Ehrung auch verstorbenen Leitern anderer Religionsgemeinschaften auf dem Gebiet anderer Staaten zuteilwurde. Bundesverfassungsrichter Harbarth lässt mit diesem Schritt begründete Zweifel daran zu, dass er selbst von der strikten Neutralität des Grundgesetzes in Religionsangelegenheiten wirklich überzeugt ist und diese Haltung auch in die Rechtsprechung einfließen lässt. Immerhin ist auch die römisch-katholische Kirche immer wieder Prozesspartei vor dem höchsten deutschen Gericht. Auffällig ist dabei, dass das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit beständig die Stellung der großen Kirchen gestärkt hat, nicht zuletzt bei der Erlaubnis, Beschäftigte nach eigenem Gusto zu maßregeln.

Bei aller Kritik ist aber doch zu hoffen, dass angesichts dramatisch sinkender Mitgliederzahlen der großen Kirchen diese Reise des Gerichtspräsidenten zum Schlusspunkt der engen Allianz von Gericht und Kirchen geworden ist.

17. Januar 2023

Sprecher*innen BAG Säkulare Grüne

   Hannah Wettig         Walter Otte

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