Stellungnahme der Sprecher*innen der BAG Säkulare Grüne
Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Kirchlichen Arbeitsrecht: Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung!
Kirchen dürfen keine arbeitsrechtliche Sonderstellung haben und müssen rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichtet sein.
Für die BAG Säkulare Grüne begrüßen die Sprecher*innen das am 17.04.2018 ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs.
Das aktuelle Urteil legt fest, dass bei der Einstellung einer neuen Mitarbeiterin bzw. eines neuen Mitarbeiters die Anforderungen eines kirchlichen Arbeitgebers an dessen Religionszugehörigkeit von den Arbeitsgerichten in vollem Umfang überprüft werden können. Das ist ein grundlegender Paradigmenwechsel: Eine umfassende gerichtliche Überprüfung wurde bisher von den kirchlichen Arbeitgebern stets mit dem Hinweis auf das sogenannte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen abgelehnt. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich deren Position zu Eigen gemacht und die Arbeitsgerichtsbarkeit auf diese Linie gezwungen. Nun hat der EuGH diesen diskriminierenden rechtsfreien Raum beseitigt.
Künftig kann die Arbeitgeberentscheidung unter Berücksichtigung von Kriterien wie der „Verkündigungsnähe“ (der Nähe zum Verkündigungsauftrag) des betreffenden Arbeitsplatzes gerichtlich überprüft werden. Das Urteil zeigt in Richtung einer Ausgestaltung der kirchlichen Einrichtungen zu Tendenzbetrieben. Dadurch werden die Beschäftigten denjenigen in anderen karitativen und sozialen Einrichtungen gleichgestellt.
Die Zeiten, in denen die Arbeitgeber völlig frei nach eigenem Ermessen über die Ausgestaltung und die Reichweite des ihnen nach dem Grundgesetz zustehenden Selbstverwaltungsrechts entscheiden konnten, sind damit vorbei.
Das Selbstverwaltungsrecht der Kirchen hat nach dem Urteil des EuGH nicht mehr immer Vorrang vor individuellen Rechten, vielmehr muss ab sofort eine Abwägung von Grundrechten vorgenommen werden. Im Klartext: die Arbeitgeber dürfen die Zugehörigkeit zur „richtigen“ Kirche nicht mehr zur zwingenden Voraussetzung einer Einstellung in jedem Fall machen.
Die Festlegungen des EuGH entsprechen Forderungen von Bündnis 90/Die Grünen. Weder die medizinische Behandlung im Krankenhaus noch die Gebäudeverwaltung etwa haben etwas mit Verkündigung zu tun. Es ist nicht akzeptabel, dass die Kirchen mit immer weniger Mitgliedern den immer mehr Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen eine Unterwerfung unter ihre religiösen Lehren abverlangt. Kirchliche Einrichtungen sind mit über einer Millionen Beschäftigten nach dem Öffentlichen Dienst der größte Arbeitgeber in Deutschland. Vielerorts haben sie nach dem Rückzug staatlicher Träger eine Monopolstellung. Und entgegen einer weit verbreiteten Annahme werden die Kosten für den Betrieb der kirchlichen Einrichtungen keineswegs aus der Kirchensteuer, sondern nahezu vollständig von Staat, Kommunen, Krankenkassen und den Nutzer*innen der Betriebe aufgebracht.
Das Urteil des EuGH geht in seiner Bedeutung über die Einstellung von Beschäftigten weit hinaus und erfasst auch den Bereich von Kündigungen. Damit werden Maßregelungen außerhalb des Verkündigungsbereiches sowohl von „theologisch-unzulässig“ wiederverheiraten Beschäftigten als auch wegen Kirchenwechsels oder -austritts vor den Arbeitsgerichten keinen Bestand mehr haben.
Aufgrund des EuGH-Urteils werden nicht sämtliche Diskriminierungen im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts beseitigt; aber die Entscheidung des EuGH vom 17.04.2018 stellt eine bahnbrechende Orientierung zu Gunsten der Arbeitnehmer*innenrechte dar.
Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Aber doch nur ein Schritt: Die Position der BAG Säkulare Grüne bleibt deshalb politisch aktuell: das besondere Kirchliche Arbeitsrecht vollständig abschaffen! Ein einheitliches Arbeitsrecht für Alle in Deutschland!
18.04.2018
Bündnis 90 / Die Grünen Bundesarbeitsgemeinschaft Säkulare Grüne
Sprecher*innen: Diana Siebert Walter Otte
Stv. Sprecher*innen: Ute Wellstein Lino Klevesath
………….
Beschlusslage BAG Säkulare Grüne zum Kirchlichen Arbeitsrecht: http://saekulare-gruene.de/vollversammlung-der-saekularen-gruenen-am-1-maerz-stimmt-fuer-die-abschaffung-des-besonderen-kirchlichen-arbeitsrechts/
Stellungnahme des Instituts für Weltanschauungsrecht zum Urteil des EuGH vom 17.04.2018: https://hpd.de/artikel/katholisch-operieren-evangelisch-fenster-putzen-war-gestern-15493
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